Smile

2015

Schmiere-Theater mit Gesellschaftskritik

Neues Musical „Smile – lächle egal wie“ begeistert Premierenpublikum

Babenhausen |fs|
 

Ein Lächeln sagt oft mehr als tausend Worte, meint zumindest der Volksmund. Doch was kann sich nicht alles dahinter verbergen? Dieser Frage geht die Theatergruppe „Schmiere“ in ihrem Musical „Smile – lächle, egal wie“ nach. Und daraus entwickelt sich eine Gesellschaftskritik mit Tiefgang. Es werden Normen auf den Prüfstand gestellt und dem einen oder anderen der Spiegel vorgehalten von den knapp 50 Mitgliedern der Theatergruppe vor, auf und hinter der Bühne mit modernem Bühnenbild, hoher Musikalität und schauspielerischer Perfektion. Und das Besondere daran: Alles stammt aus eigener, aus Babenhauser „Produktion“

Ungewohnt locker und mit geringem Tiefgang startet „Smile“, werden doch Probleme beim morgendlichen Aufstehen der Kinder ebenso thematisiert wie der Schulalltag. Dabei wird schnell klargestellt, dass „jeder in der Gesellschaft willkommen“ ist. Und in diesem Zusammenhang kommen die personifizierten Eckpfeiler der Gesellschaft schnell ins Spiel. Diese symbolisieren etwa Erziehung, Freundschaft und Partnerschaft, aber auch Beruf, Sitte und Moral. Über allem aber stehen die „Umgangsformen“, die in alle Bereiche hineinwirken und ohne die die Menschen „nichts weiter als Tiere“ wären.

Bereits hier wird das hohe gesangliche Niveau der Solisten deutlich. Auch die Schmiere-Band zeigt sich bestens arrangiert, gleichgültig ob bei der instrumentalen Leitmelodie oder als singende Boy-Group im Hintergrund. Variationen von Sinatras „My Way“ ziehen sich wie ein roter Faden durch das Stück. Zudem lässt Udo Lindenbergs „Cello“ grüßen.

In den einzelnen Spielszenen wird schnell klar, dass das Lächeln nicht nur positive Signalwirkungen hat, sondern sich auch so manche Lüge und Missgunst dahinter verstecken. Oder: Mit verstellter Miene werden das Alles-ist-gut signalisiert und die Probleme des Alltags und der Gefühlswelt weggelächelt. Vielfach lautet das Motto: Nur nicht zeigen, wie es mir wirklich geht. Gesichter verstecken sich hinter ausdrucksarmen Masken.

Die einzelnen Charaktere der Spielszenen hat das Schmiere-Ensemble mustergültig herausgearbeitet: Sei es die gestresste Kanzleiangestellte mit ihrem „professional verbindlichen Lächeln“, die verlassene Frau mit dem vor der Geburt verlorenen Kind oder der 40-jährige Krebspatient, der immer mehr von der Gesellschaft, auch Frau und Freunden, verlassen wird. Natürlich kommen auch die Klatschmäuler zu ihrem Auftritt. So wird die „reife Lehrerin“ mit jugendlichem Liebhaber als „ordinär“ stigmatisiert, entspricht sie doch gar nicht den gesellschaftlichen Normen. Und immer wieder lächeln, das Gesicht – aber nicht das Innenleben – präsentierend und auf keinen Fall die „Seele mit Flecken“. So lächelt man sich die Sorgen zumindest äußerlich davon, frei nach dem Motto: „Die Welt ist heil mit einem Smile.“

Auch taucht immer wieder die Frage auf, woher man den Mut nimmt, die gesellschaftlichen Verkrustungen aufzubrechen. Dazu passt auch die trauernde Witwe im nicht normgerechten Paradiesvogel-Outfit („Das macht man doch so nicht!“) und ihrem Schrei nach Freiheit. Diesen setzt sie letztendlich auch szenisch um, indem sie die Fesseln der Gesellschaft abstreift. Diese bleiben aber während des gesamten Musicals präsent, einerseits in deren effektvoll kostümierten Protagonisten, andererseits in den entsprechend gefärbten Würfeln. Letztendlich setzen sich die Unikate, die Menschen, durch und sprengen die festgefahrenen, seit Jahrhunderten geltenden Fesseln der Gesellschaft. „Smile“ präsentiert sich als bestens komponiertes und umgesetztes Musical aus heimischer Feder auf hohem schauspielerischem und musikalischen Niveau.

Bleibt die Frage, ob die eine oder andere tänzerische Untermalung nicht das Gesamtbild stört. Thematisch nimmt das Stück erst nach den ersten beiden Szenen den von „Schmiere“ gewohnten Tiefgang auf und hält der Gesellschaft – und damit auch dem Publikum – den Spiegel vor. Allerdings unterscheidet sich die Umsetzung von einigen dunklen Aufführungen Demmelerscher Prägung, ohne aber den warnenden Zeigefinger einzupacken. Der 2009 gestorbene Anton Demmeler hatte „Schmiere“ gegründet.

Quelle: Illertisser Zeitung vom 26.10.2015