Alles was bleibt!

2014

Hart und hautnah

Schmiere bringt mit „Alles was bleibt“ eine Tragikomödie rund um die letzten Lebensjahre auf die Bühne

Babenhausen |fs|
 

Das ist nicht gerade einfache Kost, die von der Theatergruppe Schmiere in ihrer Tragikomödie „Alles was bleibt“ aufgetischt wird: Streit um die Zukunft der hilfsbedürftigen Eltern und die finanziellen Belastungen einer Heimunterbringung, ein von den Töchtern nicht beachteter Letzter Wille, die Verteilung der „Beute“ noch vor dem Tod der Mutter oder gar ein in sich zerstrittener Familienclan, der gerichtlich das Erbe ausficht.

Zwar kann man in einigen Passagen als außenstehender Beobachter über die Eigenheiten menschlichen Verhaltens einerseits lächeln, allerdings auf Kosten anderer. Auf alle Fälle komprimiert der Autor und Regisseur der Babenhauser Bühne, Michael Dreier, in bester Schmieremanier seine Gedanken zum Lebensende und was danach kommt.

Bei der Feier zum 86. Geburtstags des Familienoberhaupts, das zu diesem Zeitpunkt bereits im Krankenhaus liegt, lässt Oma Alma die Bombe platzen. Das Leben in den eigenen vier Räumen wird ihnen zu anstrengend, ein Umzug ins betreute Wohnen ist geplant. Das trifft die anwesende Familie. Während die Söhne dem durchaus positiv gegenüber stehen, denken die raffgierigen Töchter nur ans Geld. Sie sagen klar: „Wir schränken uns nicht ein, damit die betreut werden.“ Diskutiert wird auch, die „Alten für unzurechnungsfähig zu erklären“.

Das Motto der Umzugsaktion lautet „50 Jahre Leben ausräumen“. Dabei missachten Töchter und Enkelinnen den Wunsch der Großmutter. Sie knacken das Schmuckschränkchen und fallen wie die Aasgeier über die Hinterlassenschaften her. Aber das dabei auftauchende Testament sorgt für wahre Gefühlsexplosionen.

Inzwischen ist zudem der Großvater verstorben. Kurz vor der Demenz stehend spricht Oma Alma mit dem leeren Großvaterstuhl und unterhält sich über das gemeinsame Leben. Parallel dazu wird die Erbmasse „ermittelt“ und sichern sich die Töchter hintenherum notariell bereits den Pflichtanteil.

Den szenischen Höhepunkt – durchaus nicht abwegig – stellt die Situation im betreuten Wohnen dar, als Großmutters Demenz fortschreitet. Und so mancher Theaterbesucher wird daran erinnert, wie derart erkrankte Familienmitglieder in ähnlicher Situation nicht vorhandene Gegenstände vehement einfordern. Und dass dabei von den Angehörigen, die Situation ausnützend, das eine oder andere Schäfchen ins Trockene gebracht wird, ist durchaus auch Realität. Und so läuft das sprichwörtliche Fass über, dreht sich die Diskussion nur um Geld- und Erbmassenverlust. „Supergau“, „da bleibt ja nichts übrig“ oder „habe was Besseres zu tun, als die Oma zu pflegen“ sind nur einige der Kommentare. Da stemmen sich die Söhne vergeblich dagegen. Letztendlich zählt der Letzte Wille nichts mehr, zerstreitet sich die Familie komplett und bleibt der von der Großmutter so gewünschte Familienfriede auf der Strecke. Da würden sich die Eltern im Grab umdrehen, sagt einer der Söhne. Dabei dreht sich alles nur um rund 72000 Euro – und „ums Prinzip“. Dieses steht dann im kühlen, bestens durch den Bühnenbau untermauerten Gerichtssaal im Mittelpunkt. Und dazu passt ein früherer Satz der Großmutter bestens: „Wir lieben unsere Kinder, aber nicht alle Kinder lieben uns!“ Und die berühmte Stecknadel hätte man im Theater am Espach fallen hören können nach dem Schlussappell aus dem „Jenseits“ für eine friedliche Familie.

Betroffenes Schweigen und dann tosender Applaus mit zahlreichen Vorhängen waren der schönste Lohn für die rund 30 Schmiere-Mitglieder für eine durch und durch Babenhauser Produktion, vom Regiebuch über die Schauspieler bis hin zum Bühnenbau. Da spielte es auch keine Rolle, dass kleinere – aber mit Bravour gemeisterte – anfängliche Textstolperer dem Premierenfieber geschuldet waren.

Quelle: Illertisser Zeitung vom 27.10.2014