Tot oder Lebendig

2007

Theatergruppe fühlt dem Gesundheitswesen auf den Zahn

Premiere Schmiere spielt ihr neues Stück Tot oder lebendig mit viel Humor und einer Prise Satire

Babenhausen |fs|
 

Ob im Wartezimmer, beim Schulpsychologen oder beim Wunderheiler, ob in der Notaufnahme, in der Computersprechstunde oder gar bei der Sexberatung, die Theatergruppe Schmiere zeigt sich in Tot oder lebendig diesmal von einer ganz anderen Seite. Mit viel Humor, aber auch einer kräftigen Prise Satire, nimmt sie in 12 Szenen das Gesundheitswesen ins Visier und zeigen dabei erstmals in dieser Größenordnung ihr komödiantisches Talent beziehungsweise bieten Gags am laufenden Band.

Einige Stühle frei?

Lag es am Titel oder an den im Vorjahr immer düsterer werdenden Themen der Theatergruppe Schmiere, dass diesmal bei der Premiere einige Stühle im Theater am Espach frei blieben? Tot oder lebendig ist weder ein Krimi, noch eine dunkle Abrechnung, sondern eine Komödie rund um das Gesundheitswesen mit all seinen Fehlern und Kritikpunkten – die diesmal aber humorvoll heraus gearbeitet werden. Das geht bereits im Wartezimmer los, in dem (eingebildete) Kranke und eine ver(w)irrte Messgängerin für heilloses Durcheinander sorgen. Der Arzt nimmt es mit dem Eid des Hippokrates nicht so genau, werden doch zum Beispiel Privatpatienten bevorzugt, wie im wahren Leben. Auch die ihren Halbgott in Weiß anhimmelnde Arzthelferinnen beleben das Stück.

Beim Besuch des Schulpsychologen wird so manchen Eltern, deren Erziehungsgewalt und Ausdrucksfehlverhalten der eigentliche Anlass für die Probleme des Sohnes sind, der Spiegel vorgehalten. Dass der Vater im Kreißsaal eine hohe Stresssituation durchlebt und selbst zum Patienten wird, soll nicht nur eine Erfindung sein. Dass ihm aber auf diese Weise ein Kuckuckskind untergejubelt werden kann, liegt an seiner eigenen Naivität, aber auch an der fehlenden DNA-Analyse. Kein gutes Haar lässt der Autor und Regisseur des Stücks, Anton Demmeler, am Wunderheiler, der bei Kopfweh selbst auf Aspirin setzt.

Einheitsschädelplatten aus China, umfunktioniertes Handwerkspersonal und dressierte Putzfrauen oder ein eigens eingeführter Patientenschieber sorgen für viel Heiterkeit bei der Rationalisierung im Krankenhaus – aber nur für das Publikum, während in der Patientenverfügung die Oma alle hinter s Licht führt.

Nur eine Abrechnungsnummer

Nicht so schwarz, wie der Titel es vermuten lässt, geht es bei Euthanasie im Försterhaus zu, als der Förster von Potenz zu Demenz wechselt und letztendlich an einer Bleivergiftung stirbt. In der Computersprechstunde eines Dermatologen wird der Patient nur als Abrechnungsnummer geführt beziehungsweise fordern die Dritten Zähne ganz multikulti hohe Anpassungsfähigkeiten und Flexibilität von Arzt und Helferinnen.

Sicherlich einer der szenischen Höhepunkte ist die Sexbehandlung, wobei die Urologin auf ungewöhnliche, aber (auf-) reizende Methoden setzt, die wohl dem Paar nichts, dem niedrigen Testosterongehalt des Patienten aber schon helfen dürfte. Scharf geht aber Schmiere mit psychologischen Gutachten um, ehe in der Notaufnahme alles durcheinander läuft, der Hausmeister das Regiment übernimmt und in dem Satz gipfelt: Wenn bei euch überleben willsch, muasch gsund sei!

Meisterhaft komödiantisch

Lang anhaltender Applaus bewies, dass Schmiere auch die komödiantische Sparte meisterhaft beherrscht, wenn eingefleischten Schmiererianern sicherlich der sonst gewohnte, aber auch oft düstere Tiefgang fehlt. Für alle anderen bieten die 47 Mitwirkenden aber in zwölf Szenen Lachen bis zum Abwinken auf schauspielerisch hohem Niveau.

Quelle: Illertisser Zeitung