Windrose
2003
Phantasieland der Superlative
Musical begeistert die Zuschauer – 45 Spieler in 119 Rollen
Adam und Eva auf Mallorcatrip, Hitler und Stalin in der Vorhölle oder deutsche Dichter- und Musiklegenden am Babenhauser Fürstenhof, ein Ausflug in die Märchenwelt, in das Verborgene oder gar ins Paradies – bei einer derartigen Themenauswahl ist wieder „Schmiere“ angesagt. Mit ihrem Musical „Windrose“ zeigt sich die Babenhauser Bühne von ihrer besten Seite, wobei 45 Schauspieler in 119 Rollen schlüpfen. Ausgangspunkt ist eine Audienz von König Prozzo in der Märchenwelt. Dort tummeln sich allerlei fantasievoll ausgestattete Gestalten, gleichgültig ob Kriegsminister, Hofastronom oder Tourismuschef. Dabei dreht sich alles um dessen Familie, wobei natürlich eine Mätresse vom Format „Viagra“ nicht fehlen darf.
Das Gesetz der Unterwelt
Täglich auf Wallfahrt
Geballte Musik und Poesie
Geballte Musik- und Dichterfürsten mit all ihren Marotten werden dort karrikiert, jagt Goethe dem fürstlichen Gretchen hinterher, läßt Franz Schubert seine „launige Forelle“ von der Angel, widmet Beethoven seine Ode der Freude oder streut Friedrich Schiller im breiten schwäbisch seine Kritik ein. Einen Seitenhieb bekommt auch die Ballettszene ab, während „die Fugger“ für ihre Kunstbeflissenheit Lob erhalten.
Allerdings zeigt auch dieser höfische Maskenball, dass das Prinzip Ruhm, Wohlstand und Macht der Dreh- und Angelpunkt ist beziehungsweise die Apanage die Heiratsziele lenkt. Niederen Trieben geht da schon eher Goethe mit „Faust III und IV“ nach, bevor das Fest unter Ausschluss des Volkes im Gobelinsaal ausklingt. Maskentechnisch setzt die Fantasiereise in die Gegenzeitigkeit der Musicalproduktion die Krone auf. Was sich dort alles im Paradies tummelt, ob Adam und Eva mit Hnadyausstattung im Mallorcaverschnitt, lautlich hervorragend abgestimmt in Szene gesetztes Getier oder ein „versehentlich heilig gesprochener“, durchs Paradies irrender Ludwig der IX. Äußerst gelungen auch der Dialog zwischen Moses, der jiddische Klänge besteuert, und Mohammed, der Professionelle Bauchtänzerinnen im Reisegepäck hat. Da kann Mutter Thersa mit ihrem Halleluja nur schlecht ausschauen, während die Paradies-Flora in den schönsten Farben erblüht.
Eindrucksvoll
Eindrucksvoll der Erzengel Gabriel, der die Fantsie-Reisenden zu einem Paradiesischen Traum einlädt, der nur vom Dämon unterbrochen wird. Und wie immer hält der Mann der evaischen Versuchung („Iss bloß koi Obscht“) nicht stand. Gigantisch dagegen dann auch das Schlusslied, das unter dem Motto „Leben ist Liebe und Liebe ist Leben“ steht, anlehnend an den Song „Total Eclypse of the heart“, besser bekannt aus dem Musical „Tanz der Vampire“.
In Höchstform
Nicht nur hier laufen die elf Musiker, aber auch die zahlreichen Sänger unter den 45 Schauspielern zu musikalischer Höchstform auf. Überhaupt beherrscht wieder aüßerste Präzision die Schmiere-Produktion, wobei kleinere, für den Laien kaum merkliche technische Aussetzer oder dem Premierenfieber zuzuschreibende, gut überbrückte und kaum vorkommende (Lied-) Textprobleme beziehungsweise zu früh ins Paradies stürmende Gorillas dem hervorragenden, dreistündigen Gesamteindruck keinen Abbruch tun.
Quelle: Illertisser Zeitung vom 20. Oktober 2003